Steuerrisiko: Wenn getrennte Paare ihre Immobilie verkaufen

By kienerege_admin, Allgemein, Kanzlei News

Wer eine erworbene Immobilie innerhalb von zehn Jahren mit Gewinn verkauft, wird vom Finanzamt zur Kasse gebeten. Es sei denn, die Immobile wurde ausschließlich selbst bewohnt. Eine steuerlich böse Überraschung droht jedoch, wenn die Eigentümer in Scheidung leben. Wie Betroffene in diesem Fall handeln sollten.

Ein typischer Fall aus der Praxis: Ein Ehepaar erwirbt im Jahr 2015 ein Eigenheim. Eigentümer sind beide je zur Hälfte. Im Jahr 2017 trennt sich das Paar. Der Ehemann zieht aus dem gemeinsamen Haus aus und die Ehefrau und das gemeinsame Kind leben weiterhin im Haus. Das ist in der Unterhaltsvereinbarung so geregelt. Da die Frau finanzielle Schwierigkeit hat und ihre Zinszahlungen für das Darlehen nicht mehr bezahlen kann, droht die Zwangsversteigerung. Die mittlerweile geschiedenen Ehegatten verkaufen daraufhin die Immobilie im Jahr 2021 mit einem hübschen Gewinn.

Steuerliche Folge: Da die Veräußerung innerhalb des Zehnjahreszeitraums nach dem Kauf erfolgt, prüft das Finanzamt, ob ein privates Veräußerungsgeschäft vorliegt und kommt dabei zu folgendem Ergebnis:

  • Ex-Ehefrau: Die Frau muss nicht versteuern, weil sie die Hälfte des Eigenheims, das sich in ihrem Eigentum befand, ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.
  • Ex-Ehemann: Zur Überraschung des Ex-Ehemanns möchte das Finanzamt den auf seine Eigentumshälfte am Eigenheim entfallenden Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG besteuern. Begründung: Die Überlassung seiner Hälfte am Haus im Rahmen eines Barunterhalts ist nicht als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zu qualifizieren. Und damit greifen die Spielregeln zur Besteuerung eines privaten Veräußerungsgeschäfts.

Praxistipp: Es stellt sich in der Praxis die Frage, ob das Finanzamt hier nicht übers Ziel hinausschießt und im Übermaß besteuert. Leider nein, wie ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts München zeigt. Die Richter gaben dem Finanzamt bei seiner Auffassung Rückendeckung und bejahten für den Beispielfall tatsächlich die Besteuerung (FG München, Urteil v. 11.3.2021, Az. 11 K 2045/19).

Verhaltensknigge 1 für betroffene Steuerzahler

Steuerzahler, die ihre halbe Immobilie im Rahmen einer Barunterhaltsvereinbarung an den Ex-Ehegatten überlassen und vom Finanzamt wegen des Verkaufs der Immobilie im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerlich zur Kasse gebeten werden, sollten sich wehren. Denn nun haben die Richter des Bundesfinanzhofs in dieser Streitfrage in einem Revisionsverfahren das letzte Wort (BFH, Az. IX R 11/21).

Es empfiehlt sich deshalb, gegen nachteilige Steuerbescheide Einspruch einzulegen und mit Hinweis auf das Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof ein Ruhen des Einspruchsverfahrens zu beantragen. In diesem Fall bearbeitet das Finanzamt den Einspruch erst nach einem Urteilsspruch durch den Bundesfinanzhof.

Verhaltensknigge 2: Erst nach Ablauf des Zehnjahreszeitraums verkaufen

Da völlig ungewiss ist, wie die Münchener Richter des Bundesfinanzhofs entscheiden, sollte in vergleichbaren Fällen der Verkauf der Immobilie so lange hinausgezögert werden, bis zwischen An- und Verkauf der Immobilie mehr als zehn Jahre vergangen sind. Dann greifen die Regelungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG nicht mehr und der Verkaufsgewinn kann von beiden Ex-Ehegatten steuerfrei kassiert werden.